Wie ich Sabine versprochen habe, möchte ich die Universitätsmamsellen etwas näher vorstellen, den Auftakt macht, anders als erwartet, nicht Caroline Schelling, sondern Therese Huber.
Therese Huber |
Wieder begegnen wir einer Frau, die nicht so recht in das Bild des sanften Hausmütterchens der guten alten Zeit passen will, die mir jedoch eine unglaubliche Inspiration und Vorbild ist.
Wie alle Frauen ihrer Zeit, war sie ohne Bürgerrechte, und in der heutigen Zeit erstmal nur als Frau des Forschers und Revoluzzers Georg Forster bekannt, jedoch war sie primär Schriftstellerin und über Jahre hinweg Chefredakteurin bei Cotta's Morgenblatt für gebildete Stände.
1764 in Göttingen geboren, Tochter des Altphilologen Heyne - Professor an der noch nicht mal 30 jährigen Göttinger Universität. Christian Gottlob Heyne ist uns heute als Begründer der Abgusssammlung bekannt (die hier übrigens online besichtigt werden kann: http://www.viamus.de/).
Nun denken wir uns - was für ein verstaubtes Fach. Was soll so speziell daran sein, einen Vater zu haben, der so ein Forschungsgebiet hat?
Halten wir uns vor Augen: In der Zeit war Altphilologie - die Wissenschaft über das klassische Altertum - ein komplett neues Fach, ein modernes Fach, die leuchtenden Köpfe wie Winckelmann, A.W. Schlegel, Schleiermacher u.v.m. finden immer noch Erwähnung im modernen Literaturkanon. Bücher wie Gibbons erster Band von "The Raise and Fall of the Roman Empire" wurde erst 1776 publiziert.
In diesem inspirierenden und geistig aktiven sozialen Umfeld wuchs Therese auf - ihre Bildung, wie die der meisten Frauen, von Elisa von der Recke, bis hin zu Rahel Levin - war mehrheitlich autodidaktisch erworben. Sie selbst schreibt über ihren Bildungsweg:
"Ich las, las, las und schwazte mit meinem Vater, der mich über spekulative Gegenstände alles schwazen ließ, las alles, was mir im Lesen vorgeführt wurde nur nichts als klaßisches. Das langweilte mich […] Ich hörte Archäologie von meinem Vater sprechen, Naturgeschichte von Blumbach, Anatomie u Medezin von meinem Bruder, Politik Staatengeschichte von meinem Onkel Brandes"*
Wie sich die geneigte Leserin, der geneigte Leser denken möchte, sollte meine Bekanntschaft mit Therese Heyne erst einmal über ihren Vater erfolgt sein - doch weit gefehlt - der Weg führte über Caroline Schelling** - der die Zeitgenossen ein Verhältnis mit Georg Forster nur zu gerne anhängen wollten...
Zurück zu Therese. Wie man dem Gerücht des Verhältnisses zwischen Caroline und Forster entnehmen möchte, war die Ehe nicht besonders glücklich, sie packte die Gelegenheit beim Schopf, als sich die Situation zwischen den durch Frankreich unterstützten Mainzer Revolutionären und den reaktionären Truppen zuspitzte, verliess ihren Mann und Mainz und begab sich mit ihrem späteren Mann, Ludwig Ferdinand Huber, erst nach Strasbourg, dann nach Neuchâtel (Was damals übrigens noch nicht in der Schweiz lag). Aus Neuchâtel (respektive aus Bôle) ging die Reise für das Ehepaar erst nach Tübingen, wo Huber eine Stelle bei Cotta angeboten bekam, dann nach Stuttgart.
Bereits schon während ihrer Ehe mit Forster hatte Therese als Übersetzerin und Texterin gearbeitet, der Trennung und Stellenverlust Hubers, und später auch wieder nach dem Tod Hubers 1804, wurde die Schriftstellerei, aber auch die Redaktionsarbeit ihr Beruf.
Ihre eigenen Schriften sind zum von Teil erschreckender Nüchternheit, welche das eigene Bild über Frauen um 1800 gehörig aufrütteln können.
Ihr 1796 veröffentliches Buch "Luise" - hat ausser dem Titel nichts mit der Idylle der Voss'schen Luise gemein. Es ist grad für jemanden wie mich, die sich über die eigene Lesetätigkeit der Werke und Briefe von Germaine de Staël, Caroline Schelling, Rahel Levin, Luise von Göchhausen dem Eindruck hingab, dass Frauen in diesem Kreis sich doch eine gewisse Unabhängigkeit erstritten hatten - selbst als Person mit dem rechtlichen Status eines Kindes oder eines Tisches - eine Leseerfahrung die ernüchtert, und zurück auf den Boden der Tatsachen führt. Und auf einmal werden die verzweifelten Stimmen, die um Anerkennung, um Rechte kämpfenden Stimmen der Frauen wie Constance Pipelet, Olympe de Gouges, um einiges lauter, und beeinflussen das Lesegeschehen umso mehr.
Wer Therese Hubers "Luise" selbst lesen möchte, und ein Digitalisat sucht, wird wohl enttäuscht werden. Die Unibibliothek Augsburg hat Sig. 02/III.8.8.955 leider nicht in digitaler Form aufgeschaltet, jedoch gibt es von Olms einen Nachdruck, erschienen 1991 in der Reihe "Frühe Frauenliteratur in Deutschland".
Es ist keine leichte Kost, wer selbst schon unter Depressionen, emotionellem oder physischem Missbrauch gelitten hat, der/dem möchte ich von der Lektüre abraten (Oder zumindest die Voss'sche Luise oder die Gessnerschen Idyllen oder Böttigers Klatsch und Tratsch als Gegenkur ans Herz legen)
Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach Rechten und Gleichberechtigung durch das Leben so vieler Frauen in der Frühromantik. Bei Therese Huber war es nicht anders. Cotta war durchaus zufrieden, eine kompetente Frau einzustellen (was man ihm zugute halten darf) - andererseits war er auch durchaus zufrieden, ihr ein um einiges geringeres Gehalt zu bezahlen...
Ich möchte die werthe Leserin, den werthen Leser daher auffordern, sich den Frauen der Zeit etwas wohlwollender anzunehmen. Es wird mehr und mehr über sie geforscht und publiziert, diese neuen und auch alten Publikationen bieten eine Perspektive weg von all den gescheiten Sturm und Drang-Klassikern die sich eine Fehde mit den frühromantischen-Philosophen lieferten.
Um es also in die Worte von Therese Huber umzumünzen: "Lest, lest, lest und schwatzt" über die Zeit, lasst uns mehr lesen, uns mehr darüber austauschen, mehr lernen.
Nachtrag vom 9. Juni 2021:
Am 10. Juni wird auf dem GoetheMoMa Therese Huber ein Beitrag gewidmet - zugucken kann man via Instagram Livestream https://www.instagram.com/goethemoma/ - einem Projekt von Damian Mallepree.
www.goethemoma.de
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*https://de.wikipedia.org/wiki/Therese_Huber
**Aber das ist eine andere wunderbare Frau, die eine eigene Einführung verdient. Wer Zeit findet, dem sei die Lektüre ihrer Briefe ans Herz gelegt, die uns ein Fenster in die Zeit der Frühromantik aufstossen, die es weit aufstossen und uns daran teilhaben lassen. Auf Deutsch gibt es mehrere Publikationen, ich habe die zweibändige Ausgabe erschienen bei Lang (1970) sowie Sigrid Damms Briefauswahl der Briefe. Auf Englisch verweise ich gern auf www.carolineschelling.com , wo die Briefe in von Douglas W. Scott in übersetzter und annotierter Form veröffentlich wurden.
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