Saturday 19 June 2021

Den Trank, den auch der Geringste nicht zu entbehren vermag: Limonade


[...]Ich muss doch hier von den Herumträgern sprechen[...]. Einige gehen herum mit Fäßchen Eiswasser, Gläsern und Zitronen, um überall gleich Limonade machen zu können, einen Trank, den auch der Geringste nicht zu entbehren vermag [...]
Goethe an Herder, aus Neapel, den 28. Mai 1787 (JWG „Italienische Reise“, Ausgabe Deutscher Taschenbuch Verlag - dtv, 2011)


Der heutige Blogbeitrag ist gewidmet:
Citronenbaum, Isola Bella (Isole Borromee)
Photo A. Reeves, 2018




Den Auftakt haben wir mit Goethens Kommentar an Herder bereits, wenn man nach ihm ginge, bedürfte dieser erfrischende Getrank nur Eiswasser und Zitrone. (Eiswasser Anno 1787! (Auf derselben Reise begegnete Goethe auch dem Ritter Hamilton sah sowohl dessen berühmte Sammlung, wie auch Miss Hart, die spätere Lady Hamilton- und schon schliesst sich der Kreis wieder)

Auch heute gehört Limonata in Neapel zum Sommer, wie die Sonne und der Vesuv. Heute bekommt man die beim Acquafrescaio immer ganz frisch hergestellt aus 1-2 Zitronen (Vorzugsweise Amalfi-Zitronen), frisch gepresst, Mineralwasser, etwas Zucker (meist in Sirupform vorbereitet), etwas Bicarbonat, welches nur einen Augenblick vor dem ersten Schluck beigegeben wird. (Dann sofort trinken, sonst schäumt es über) Die Verhältnisse der Zutaten ist von Verkäufer zu verschieden, wer möchte, darf sich gerne auf eine 2-minütige Kurzreise nach Neapel begeben, und den verschiedenen Limonadenverkäufern über die Schulter gucken. 




(Falls das Video nicht funktioniert, bitte den Link https://youtu.be/D59qJhyYDTA benutzen)


Doch wie war das zur Goethezeit?
Beginnen wir mit Krünitz:

Limonade, die, im Plur. die -- n, doch nur, wenn von mehreren Arten die Rede ist, aus dem Franz. Limonade, und dieses aus dem Ital. Limonata, ein kühlendes Getränk von Wasser, Zucker und Limonen= oder Citronen=Saft.

Obgleich sich alle Arten der Citronen oder Limonen, die einen sauren Saft enthalten, zur Zubereitung der Limonade schicken, so muß man vorzüglich doch diejenigen Sorten dazu wählen, welche man aus Italien und Portugal bringt, weil diese diejenigen weit übertreffen, welche aus dem Fürstenthume Monaco oder aus Provence kommen. […] Die italienischen und portugisischen Citronen erkennet man nicht nur an ihrem angenehmeren Geruche und Geschmacke, sondern auch daran, daß sie nur halb so viele Kerne in sich haben als die andern.

Bey der Verfertigung der Limonade muß man zuvörderst darauf Rücksicht nehmen, daß nicht alle Theile der Citronen von gleichen Bestandtheilen und von gleicher Wirkung sind. Nur der innere Saft ist von kühlender Natur. Das in der Schale befindliche Oehl, und die sonstigen aromatischen Theile sind erhitzend. Je nachdem man von dem einen oder dem andern verhältnißmäßig mehr in die Mischung thut, wird das Getränk auch mehr oder weniger kühlend.

Will man ein Getränk haben, welches bloß kühlend ist, so ist die einfachste Art dabey zu verfahren diese. Man läßt 5 Unzen weißen Zucker in einer Pinte (Eine Pinte Wasser wiegt 1 1/2 Pfd) recht hellen Wassers schmelzen, nimmt 2 -- 3 gute Citronen, wischt sie gelinde ab und schneidet sie mitten durch. Jede dieser halben Citronen drückt man alsdann mit den Händen dergestalt aus, daß die Behältnisse, worin sich der Saft befindet, platzen, und der Saft in das Zuckerwasser fließe. Diese Mischung wird darauf durch einen tuchenen Filtrir=Sack geseihet und an einem etwas kühlen Orte zum Gebrauche aufbewahrt.[…]

Das entspricht ungefähr dem, was Goethe berichtet. Aber auch hier wieder - Zuckersirup!

[…]Soll die Limonade indessen minder kühlend seyn, so schneidet man die Hälfte der gelben Rinde dieser Frucht in sehr dünne Schälchen ab, und läßt sie 20 -- 30 Minuten in dem Zuckerwasser ausziehen, schneidet dann, wie oben erwähnt ist, die Citrone durch und drückt sie aus.[…]

Also sehr nah an dem, was wir heute als Citronensirup kennen.

[…] Die Limonade wird aber sonst auch noch auf verschiedene Weise gemacht. Einige nehmen z. B. auf eine Kanne frisches Brunnenwasser drey bis vier Citronen, schneiden die äußere gelbe Schale ab, werfen sie in das Wasser, decken das Gefäß zu, und lassen es ein paar Stunden stehen; nachher drücken sie den Saft von den geschälten Citronen vollends hinein, lassen es wieder eine halbe Stunde stehen, seihen das Wasser durch ein dichtes Tuch, und werfen so viel gestoßenen Zucker hinein, als sie für nöthig erachten. Hierauf gießen sie es einige Mahle aus einem Gefäße in das andere, und lassen es auch noch wohl einmahl durch das Tuch laufen, damit der Trank recht klar wird.

Andere hängen auch gleich anfangs etwas zerknickten Coriander und gestoßenen Zimmt in ein Säckchen gebunden hinein, und lassen es so einen halben Tag stehen. Noch andere reiben auch noch zwey oder drey Gran Bisam mit sechsmahl so viel Zucker auf einem Reibstein so lange unter einander ab, bis man keinen Bisam mehr sieht, und thun es hernach unter die Limonade, welche sie hierauf noch etliche Mahle abgießen.

Andere geben sich weniger Mühe, und nehmen nur zwey bis drey Citronen nebst vier Loth Zucker auf eine Kanne Brunnenwasser, schneiden sie scheibenweise, werfen beydes zusammen in Wasser, lassen den dritten Theil davon einkochen und seihen es endlich, wenn es kalt ist, durch ein Tuch.

Nach einer andern Methode nimmt man sechs Citronen, reibt von einer derselben die Schale mit Zucker ab, und preßt den Saft von allen aus. Alsdann kocht man 1 lb Zucker mit Wasser ganz dick und vermischt ihn mit dem Citronensafte, nebst den auf Zucker abgeriebenen Citronenschalen. Dieses läßt man zusammen eine kleine Viertelstunde durchkochen, füllt es in Flaschen, und thut davon nach Belieben unter ein Glas Wasser zum Trinken. *
*Preußischer Volksfreund. 1798. IX. S. 1138.
[…]

Auch bietet Krünitz noch ein Rezept zu einem Limonadenpulver, für eine Instant-Limonade, das dürfen Sie, dürft Ihr, gerne selbst nachlesen gehen, die Quellen sind unten nochmals verlinkt.

Citronen, Citronen und noch mehr Citronen. 
Isola Bella, eine der drei borromeeischen Inseln im Lago Maggiore. Immer wieder einen Besuch wert. (Und im kleinen Café im Park gibt es - wie man hofft und insgeheim erwartet: Limonade)
Photo: A. Reeves 2018

Und nun zu unserem Weimarer Freund - Monsieur le Goullon:

Limonade
Man nehme zu einem Maas Wasser drey Stück schöne saftige Citronen, reibe das gelbe von einer Citrone auf Zucker ab und drücke den Saft von diesen drey Citronen dazu, rühre es wohl durch einander, versüße es mit einem Viertel-Pfund Zucker und lasse es durch eine Serviette laufen.
Man kann auch, wenn es beliebt, ein halb Nösel Wein darunter thun, welcher den Geschmack der Limonade sehr erhöht. 
François Le Goullon: Der Elegante Theetisch, 1809


Die Neapolitanische Limonata wird unmittelbar vor dem Genuss zubereitet. Krünitz verweist darauf, dass sich Limonade nicht länger als zwei bis drei Tage hält. Le Goullon schreibt nichts zur Haltbarkeit, hingegen ist schreibt Czerdelinczki 1799

[…]Endlich würde es ein großer Fehler seyn , wenn man limonade und andere Erfrischungse getrånke den Tag vor dem Gebrauch maden wollte . Waffer und Citronensäure find , wenn fie eine Zeitlang beisammen sind , einander contrair, und verderben eines das andere, daher die Limonade nicht eher als kurz vor dem Gebrauch gefertigt werden darf.
Man koste eine frisch gemachte Limonade, und eine, die 24 Stunden gestanden hat, so findet man, daß eine Limonade, die 24 Stunden gestanden hat, allen Geschmack verlohren habe und nicht mehr zu gebrauchen sey.[…]


Nun hoffe ich, dass alle Leserinnen und Lesern, deren Appetit auf Limonade durch diesen kurzen Ausflug nach Neapel und in die Welt der Goethezeit-Limonade geweckt wurde, in ihrer Küche Citronen, Zucker und Wasser vorfinden, um sich mit einem Getränk neapolitanischer Art zu erfrischen. Oder mit einer gekaufte Limonade, oder einem Glas Wasser mit einem Schnitz Zitrone, oder einen Citronensirup. 

Ein Selfie vom gestrigen spontanen Freistil Goethe MoMa.
Dadurch dass es ungeplant war, befindet sich eine gekaufte
italienische Limonata in meinem Glas, sie war dennoch sehr erfrischend.
(Die Frisur ist auch dem feuchtwarmen Wetter dieser Tage geschuldet, perfekt
 für lockige Steckfrisuren. 7 Minuten vor MoMa dachte ich "Warum nicht im
Gewand von 1800, wenn ich schon mal gute Haare dafür hab?")


Wen es etwas nach Neapel zieht, aber nicht reisen kann, der/dem empfehle ich das Konzert von Accordone, Marco Beasley und Pino di Vittorio “La Musica nelle Strade del Regno di Napoli” 




Wenn die anderthalb Stunden zu lange sind, dann hoffe ich, dass zumindest Pino di Vittorios Interpretation der "Tarantella del Gargano" die Limonadenpause etwas verschönt:



-----
Weiterführendes & Quellen:

Oekonomische Encyklopädie von J.G. Krünitz, transkribiert zu finden unter: 
http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ , die Stichwortsuche “Limonade”
Der Band 79 “Lilie - Loango” erschien 1801 respektive mit Zweitauflage 1807.
Oder noch im Original:
https://books.google.ch/books?id=WT-AdEOCA0kC&pg=PA170&dq=Limonade&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwimkubW3aPxAhVDzKQKHS1lB-oQ6AEwAHoECAgQAg#v=onepage&q=Limonade&f=false

François Le Goullon: Der Elegante Theetisch, 1809
https://books.google.de/books?id=4ik7AAAAcAAJ&dq=francois%20goullon%20der%20elegante%20theetisch&hl=de&pg=PA13#v=onepage&q=citrone&f=false

Franz Xaver Czerdelinczki “Der vollständige Conditor, Schweitzerbäcker und Destillateur” 1799 - Mit über 60 Eisrezepten!
https://hdl.handle.net/2027/nyp.33433006722163


Sunday 13 June 2021

Jag är kronprinsessa - Désirée Bernadotte - née Clary

Some of my more regular readers might wonder why I suddenly deviate from my modus operandi of sharing obscure sources and weird historical bits and bobs, and show a historical novel? With questionable historical content? And why the Swedish bits in the title?

Well, the answer is quite easy. First - this is the book what started it all. What made history come alive to me when I was 14 years old, and this is my old paperback from back then. Battered, read again and again. It’s the book what gave persons from the past their own personalities, what in the long run is now responsible for my digging in archives and reading letters and diaries written in the period, to find out more about the thoughts, dreams and hopes of the people back then. This is the root of all evil, and what got me interested into the French Revolution and Empire period, and what is still helping me to mindmap historical personalities together - even if they are not part of the books universe like the German early Romantics. (My brain has a weird way of connecting dots, I know. But it works.)

My battered old copy of Désirée.
A bookseller in our town was generous enough to let me pay of the book week by week,
as my pocket money didn't stretch to the full price in one go.
Yes - those were the 1990ies, when a months pocket money wouldn't be enough for a book...


The second reason is a more contemporary one - I recently receive many more hits on my blog coming from Sweden - this is a little “Hej!” to you all. I am curious to see who is reading along here, I would appreciate a note in the comments, because the hits were really more frequent in recent days and I am really intrigued.


Désirée Bernadotte - Crown Princess of Sweden,
painted by François Gérard 1811
Royal Collection Stockholm, picture via Wikimedia Commons
But - back to the lady in question - not necessarily to the character in the novel, but to the person.
Born in 17771 into a wealthy Marseillais family (not as the book has it, the daugther of a silk-merchant) named Bernardine Eugénie Désirée- she was the youngest child in a family of 10 (!) siblings - by two mothers, 3 more children didn’t reach adulthood). Yes, she had a sister named Julie, and yes, said sister did marry Giuseppe Buonaparte (Joseph Bonaparte), and she herself became Napoléon Bonapartes fiancée.

We all know - Napoléon Bonaparte ditched his bride-to-be and went on to marry Marie-Josèphe Rose de Beauharnais (Given the political climate it was more advantageous to marry a woman of nobility with connections in Paris over a provincial jeune fille). Désirée went on and married General Jean-Baptiste Bernadotte - who was elected crown prince of Sweden in 1810.


And here we have the link to Sweden. As my Swedish readers know, he assumed the name Carl Johan, she became Desideria. And lived happily ever after - respectively she in Paris, he in Stockholm for a good many years, and today's Swedish Royal Family still bears the name "Bernadotte".
Désirée Bernadotte in Mortefontaine,
painted by François Gérard 1808
Royal Collection Stockholm, picture via Wikimedia Commons

As a researcher I know Annemarie Selinkos book is fiction, and fiction written before Wikipedia, the historical facts are more a rough guideline, with a lot of embellishment. 

As a reader I love her prose. Not just in Désirée, but also in “Heute heiratet mein Mann”, “Ich war ein hässliches Mädchen” and “Morgen wird alles besser” - I read all four in German, not in translation I feel I ought to add, I don’t know how they hold up to other languages.
What does come through in Désirée was the period it was written in, and to whom it was dedicated.

There is that one passage, when the fictional character of Désirée reacts to the indoctrination of children. (Sorry, this is in German, I don't have another language edition on hand, please us Google Translate or something similar): 

“Ich möchte nicht, dass das Kind das lernt […]” “Das wird in allen Schulen des Kaiserreichs unterrichtet, es ist Gesetz”, replied the teacher.

[…] Den Bauern werden ihre Söhne von den Feldern geholt, damit sie in Napoleons Armeen marschieren, es kostet achttausend Francs, um sich vom Militärdienst loszukaufen, und achttausend Francs sind viel Geld für einen Bauern. Deshalb halten sie einfach ihre Söhne versteckt, und die Gendarmen sperren Frauen, Schwestern und Bräute als Geiseln ein. […] Warum lässt Napoleon sie denn marschieren, diese jungen Burschen, immer neue Kriege, immer neue Siege, Frankreichs Grenzen müssen doch längst nicht mehr verteidigt werden? Frankreich kennt gar keine Grenzen mehr. Oder handelt es sich gar nicht mehr um Frankreich? Nur noch um ihn, Napoleon, den Kaiser?”- Ich weiss nicht, wie lange wir einander gegenüberstanden, dieser junge Lehrer und ich. Ich hatte plötzlich das Gefühl, wie eine Schlafwandlerin in diesen letzten Jahren gelebt zu haben. Schliesslich drehte ich mich um und ging zur Tür.


If one replaces “Kaiser” with Führer, Napoleon with Hitler - it receives a way more contemporary tinge, and a way more urgent appeal. Annemarie Selinko lived in German occupied Denmark during the war until she and her husband fled to Sweden in 1943 (as their work in the Resistance became too dangerous). Her books - though light and airy on the surface can have darker sides - most visible in 
“Heute heiratet mein Mann” how much of the occupation influenced the passage when the Gestapo was searching for their resistance involved dentist and interviewed the protagonist Thesi and her husband in their own homes at gunpoint - the dentist then escaping to Sweden in an open rowing boat - as did later Selinko and her husband three years later.
Or how the protagonist Thesi - an Austrian, as was Selinko comments that her own country didn't exist anymore, was erased and part of a Reich she couldn't and wouldn't identify with. How a veteran of the International Brigade was living through deep sorrow (my great grandfather was one of the Swiss volunteers of the International Brigade, that's another reason why this book has such an appeal to me.
The Book “Heute heiratet mein Mann” was not surprisingly on the list of forbidden books in Nazi controlled territory, it is available as a reedition since 2018. (And several soppy film, what concentrate on the love story, not on the political issues)

What she describes in Désirée happening to farmer’s sons in the period happened to Danes during the war (also to Alsatians, and I am sure to other areas under occupation). If some went into hiding, their wives, sisters, daughters were taken in, to pressure the deserters out of their hiding places. Désirée might appear a soppy, easy read on the surface, but to anyone with a penchant to history, and 20th century history a such, the undertones don't go unnoticed. 

“Désirée” bears the dedication: “Dem Andenken meiner Schwester Liselotte, ihres Frohsinns und ihrer Herzensgüte, in tiefem Leid gewidmet”- “In memory of my sister Liselotte, in memory of her cheerful nature and her goodness, dedicated in deep sorrow”
Her sister Liselotte was murdered in Auschwitz, in 1944.

So - my dear Swedish readers and of course my other readers: 
I hope this post wasn't too shallow, the regular nerdy content will resume shortly.
Did you know the real Désirée Bernadotte? Or did you only knew about Annemarie Selinko's Désirée? Have you read the book? Watched one of the movies? And who among you gets the thing about "I also used four handkerchieves..." and co-miserates with a lady who still has to take refuge to those to achieve the fashionable Empire silhouette?


Further reading:

The Swedish royal collection’s page:
https://www.kungligaslotten.se/english/articles-movies-360/rosersberg-palace/2020-11-24-desideria---queen-from-a-distance.html


The excellent page by Julie Zetterberg
http://www.nebula5.org/clary/person.html

A good blog by Michael Sibalis picking apart the story and fiction (in English)
https://h-france.net/fffh/classics/2857/

Wikipedia entries to Désirée, her sister Julie, her husband Bernadotte and her “rival” Joséphine:
https://en.wikipedia.org/wiki/D%C3%A9sir%C3%A9e_Clary

https://en.wikipedia.org/wiki/Julie_Clary
https://en.wikipedia.org/wiki/Charles_XIV_John
https://fr.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9phine_de_Beauharnais


And a nice set of prints and some letters: 
http://nicolequinnnarrates.blogspot.com/2012/08/desiree-from-mcgill-university-napoleon.html



The story of Annemarie Selinkos’s Sister Liselotte Roederer (née Selinko)
https://www.joodsmonument.nl/en/page/639532/selinko-family-story


About Annemarie Selinko:
https://jungle.world/artikel/2018/27/puderdose-und-stellungnahmen

https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/annemarie-selinko



Further watching:

“Le Destin fabuleux de Désirée Clary” by Sacha Guitry from 1942 https://ok.ru/video/748068669962
The movie is in black and white, in French, not subtitled - I recommend an ad-blocker on your browser.

“Désirée” by Henry Koster from 1954 - based on the novel of Annemarie Selinko - https://www.youtube.com/watch?v=3SR2Vl5qaPY a movie that bad that it’s already good again (I own the DVD, perfect if one wants some really easy and soppy 1950ies historical fiction)

Secrets d’Histoire - “Marseillaise et Reine de Suède”
Secrets 
d’Histoire is a French Documentary channel with subscription content. The nice bits: They usually have access to the most amazing places and passages and rooms usually hidden to visitors. The bad - every woman is "La petite (insert name of heroine here)" "Elle était belle" "La p'tite mignonne (insert name of heroine here)" - there's even some sort of "Secret's d'Histoire Bingo" - because the formula repeats itself again and again. 
Easy on the eye, something for a rainy Sunday afternoon, don't expect much - it's a format for a general public, not for historians. But - credit where credit is due - it really helped making History again a staple in French households, and during museums events a lot of visitors come prepared with some knowledge they were able to pull from those shows.
https://secretsdhistoire.tv/o/Content/co400709/desiree-clary-marseillaise-et-reine-de-suede

You might want to keep an eye on youtube, sometimes Secrets d’Histoire reruns older shows for a limited period of time. https://www.youtube.com/watch?v=kTC7hIfGddo 

Thursday 10 June 2021

Danse du Schall

Wer hat nicht die Beschreibung von Nataschas Tanz in Tolstois "Krieg und Frieden" gelesen, und sich gewundert, was der Shawl-Tanz wäre, den sie in des Onkels Behausung hinter sich liess, und ganz in der russischen Musik aufging? 

Emma Hamilton, by Rehberg.
Curtesy of RMG https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/107372.html


Über Jahre hinweg habe ich Hinweise gesammelt, Beschreibungen in Theaterstücken gelesen, Hinweise in Modejournalen und Zeitungen gefunden, ab und zu auch mal Musikstücke, immer mit der leisen Hoffnung, einen Hinweis auf eine Choreographie zu finden (ähnlich wie bei der Pas du Shawl in Raymonda, ein ganz eindeutig späteres Ballett)

Ich denke, was sich viele vorstellen, ist eine Art frühe Isadora Duncan, eine Mischung zwischen Ballett und Eurythmie, wie oben der Stich nach Rehberg, oder wie das Aquarell der Tänzerin Annette Köbler in der Sammlung des Rijksmuseums: 


 
Danseres Annette Köbler, de pas-de-shawl uitvoerende
http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.163137


Nun werde ich die Überraschung grad verderben - die Beschreibungen gehen auf die Attitüden der Lady Hamilton zurück, eine eigentliche Choreographie scheint zumindest für den Anfang nicht zu existieren. 
Lady Emma Hamilton hatte Zugang zur Umfangreichen Vasensammlung ihres Mannes, Sir William Hamilton (mehrere hundert, und hunderte bereits verkauft, aber auch katalogisiert und als Kupferstiche über ganz Europa verbreitet, Herzogin Anna Amalia von Weimar wie auch Fürst Franz von Dessau besassen Vasen aus der Sammlung des Ritters Hamilton, wenn man Böttiger Glauben schenken darf.)

Es klingt schlüssig, aber wird absolut augenscheinlich wenn man die Stiche nach Rehberg anschaut, die im RMG, dem Royal Museums Greenwich verwahrt werden.

Und dennoch - wenn man bedenkt dass Henriette Hendel später auch Schülerinnen in der Kunst der Pantomime unterrichtete, blieb die Hoffnung auf eine Choreographie, oder zumindest eine Empfehlung der Figurenabfolgen, doch selbst dies ist mir bislang nicht untergekommen.

Während ich für ein anderes Projekt, welches noch so manche Wendung und Irrung nehmen wird, ehe es zur Publikation kommt, auch immer wieder über Hinweise zum Danse du Schall oder dem Pas du Schall stolpere, dachte ich, ich amüsiere sowohl mich, wie auch die Leserinnen und Leser meines Blogs, und teile einige interessanten Entdeckungen, die ich im im Laufe der letzten Monate respektive Jahre gemacht und transkribiert habe:




Emma Hamilton, by Rehberg.
https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/107369.html

Doch kommen wir nochmals auf Lady Hamilton zurück, und lassen doch am besten den guten Böttiger sprechen: 

"Mehr noch als auf alle diese Vasen ist der Ritter Hamilton auf den Besitz einer Gemahlin stolz, die durch das zaubervolle Wechselspiel ihrer Pantomime alles übertrifft, was je die geschicktesten Theaterkünstlerinnen in dieser Art schnell vorübergehender Darstellung zu leisten im Stande waren. [...] Man nennt in England, wo diese pantomimische Nachahmungskunst weit fleißiger geübt, und von den ersten Schauspielerinnen zuweilen in eigenen Vorstellungen auf das Theater gebracht werden, Imitations und von ihnen hatte auch Miß Heart [Emma Hamilton] ihre Kunst zuerst entlehnt. 
Im Umgange mit Hamilton zu Neapel suchte sie solche noch immer mehr zu vervollkommnen, und besonders auf die merkwürdigsten Darstellung gewisser durch ältere und neuere Kunstwerke berühmter Attitüden anzuwenden. Alles dieß ist ihr über alle Vorstellung gelungen, und wenn Hamilton seinen Freunden im scherzhaften Ton zweilen zu versichern pflegt, daß er in seiner Gemahlin alle schönen Statuen, die der schöpferische Meißel großer Bildhauer hervorgebracht hat, zusammen besitzte; so ist dieß für alle diejenigen, die selbst so glücklich waren, Augenzeugen dieses bezaubernden Pantomimenspiels zu seyn, etwas mehr als eine bloß scherzhafte Behauptung. Ihr Anzug, wenn sie vor einem auserlesenen Kreise ihrer Freunde diese Verwandlungen vornimmt, ist ein ganz einfaches langes weißes Gewand, unter der Brust mit einem kunstlosen Bande gegürtet, ganz wie die Tunika der Alten. "



Emma Hamilton by Rehberg
https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/107375.html

"Ausser diesem hat sie nichts, als einen sehr weiten, freien indischen Schaul oder Schleier, den sie, so wie es die Beschaffenheit der jedesmal hervorzubringenden Attitüden fodert [sic], mit einer wunderbaren Behendigkeit und Geschicklichkeit bald lang von ihrem schönen Haar herabfließen, bald in dem schönsten Faltenwurf an diesen oder jenen Theil des Körpers sich anschließen, bald leicht flattern, bald nur die Füße bedecken läßt. Kurz, dies ist der Zaubermantel einer Fee, durch dessen meisterhaften und auf den malerischen Effekt berechneten Gebrauch sie eine unendliche Mannigfaltigkeit von Bekleidungen hervorzubringen versteht."




https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/107370.html

"Das Vortheilhafte dieser Kleidung, sagt uns ein urtheilsfähiger Augenzeuge, welche ihre schlanke Gestalt nur leicht verhüllt; ihre langen Castanienbraunen Haare, die in einem Nu nach jeder Art von Stellung sich richten; die Gesichtszüge, welche jeden Ausdruck bestimmt zeichnen und durch eine leise Spannung festhalten; und endlich die Mannigfaltigkeit der Stellungen selbst, dieß alles formiert ein in seiner Art einziges Schauspiel."

Journal des Luxus und der Moden, Februar 1795 S. 77-79
https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00252575/JLM_1795_H002_018_a.tif?logicalDiv=jportal_jparticle_00093557

-*-*-*-*-*-*-*-*-

Aus Französischen Blättern.

Frau Baronin von Krüdner[sic], die geist- und gefühlvolle Verfasserin der Valerie, hatte durch die Beschreibung, die sie in diesem Romane von dem Shawl-Tanz der Lady Hamilton gab, in Paris allgemeine Neugier auf diesen Tag erweckt. Sie fand Gefallen daran, einige junge, schöne Freundinnen darin zu unterrichten, und bald gehörte es zum besten Ton, ihn tanzen zu können. Gardet hat das zu einem neuen Ballet benutzt: Une demi-heure de caprice ou la danse de Schall. Es soll sehr artige Scenen haben, aber im Ganzen mißfiel es, vorzüglich wegen seiner zu einfachen Musik. - Bei Gelegenheit dieses Ballets gesteht ein Franz. Kunstrichter, daß das Pariser Ballet in Rücksicht des eigentlichen pantomimischen Tanzes so weit zurück ist, daß man die Versuche in demselben gar nicht versteht, wenn sie nicht etwa von einer bekannten Melodie begleitet werden.

(Zweiter Jahrgang der beiden Zeitschriften: Der Freimüthige und Ernst und Scherz 1804- Herausgegeben von A.v. Kotzebue und G. Merkel, Berlin. S. 372 No 223, Donnerstag den 8. November )


La Baronne Juliane de Krüdener, par Angelika Kauffmann
via Wikimedia Commons

-*-*-*-*-*-*-*-*-

DANSE DU SCHALL

Valérie demanda son schall, d'une mousseline bleu-foncé; elle écarta ses cheveux de dessus son front; elle mit son schall sur sa tête; il descendit le long de ses tempes, de ses épaules; son front se dessina à la manière antique, ses cheveux disparuent, son sourire habituel s'effaça peu-à-peu, sa tête s'inclina, son schall tomba mollement sur ses bras croisés sur sa poitrine; et ce vêtement bleu, cette figure douce et pure, sembloient avoir été dessinés par Le Corrège, pour exprimer la tranquille résignation; et quand ses yeux se relevèrent, que ses lèvres essayèrent un sourire, on eût dit voir, comme Shakespeare la peignit, la Patience souriant à la Douleur, auprès d'un monument. 
Ces attitudes différentes, qui peignent tantôt des situations terribles, et tantôt des situations attendrissantes, sont un langage éloquent puisé dans les mouvemens de l'ame et des passions. Quand elles sont représentées par des formes pures et antiques, que des physionomies expressives en relèvent le pouvoir, leur effet est inexprimable. Milady Hamilton, douée de ces avantages précieux, donna la première une idée de ce genre de danse vraiment dramatique, si l'on peut dire ainsi. Le schall, qui est en même tems si antique, si propre à être dessiné de tant de manières différentes, drape, voile, cache tour à tour la figure, et se prête aux plus séduisantes expressions.

Journal des Dames et des Modes (de Francfort) No 3, 16 Janvier 1804 , P 67/68


-*-*-*-*-*-*-*-*-

La danse du Schall est en ce moment la danse à la mode, et mérite d'être connue: peu de gens la savent éxecuter encore. C'est une femme seule qui en forme toutes les figures avec ce fichu long appellé schall; la danseuse, pour produire plus d'effet, doit être toute vetue de blanc, et son schall doit être en aurore ou ponceau et de forme longue. C'est en le roulant autour d'elle, en le posant de diverses manières sur sa tête, en le mettant sur ses bras en harmonie avec diverses poses du corps que la danseuse retrace les antiques d'Herculanum; et voilà ce qu'on appelle la danse du Schall.

Journal des Dames et des Modes (de Francfort) No 7, 13 Février 1804 , P 180/181


-*-*-*-*-*-*-*-*-


Plate 1117 1811, N4
Source: BNF Costume de Bal, Pas du Schall


Journal des Dames et des Modes, No. 4, 20 Janvier 1811, Gravure 1117
In der Ausgabe selbst wird nicht näher auf das Ballkleid eingegangen. 



-*-*-*-*-*-*-*-*-

Korrespondenz Nachrichten, Paris, 20. Jan.
Während man allenthalben gegen die englischen Fabrikate

zu Felde zieht, ergreift der Kaiser alle Maßregeln, die in-

ländischen in Aufnahme zu bringen; so wurde neulich verord-

net, daß die Amtskleidung der Gerichtspersonen wie vormals
von Seide sey; auch bey Hofe wird man künftig nur in Sei-

de oder Sammet, nach der Jahreszeit, erscheinen können. Die

Einfuhr von Shawls, sie mögen wo immer herkommen, soll 

gänzlich verboten werden; eine Maßregel, wodurch die gegen-

wärtig in Frankreich befindlichen sehr im Preise steigen dür-

ten, wenn anders die Shawls nicht ganz außer Mode kom-

men. [...] Einstweilen werden die Shawls noch allgemein getragen,
und der Pas du Shawl noch auf allen feinern Bällen ge-
tanzt. Während in England nur die Hamilton und in
Deutschland nur Madame Händel mit einer Akademie
von Shawl-Gruppen das Publikum bezaubert, ist Paris
so glücklich Hunderte solcher Künstlerinnen zu besitzen. In
manchen Gruppen scheinen sie die Stellung der Niobe zu ko-
pieren, wo sie von den Pfeilen der Latona getroffen wird.


(Morgenblatt für gebildete Leser, 1811, S. 115, via Googlebooks)
https://books.google.ch/books?id=j0Y8AQAAIAAJ&printsec=frontcover&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q=Shawl&f=false


Anmerkung: Henriette Hendels Pantomimen wurden ebenfalls auf Kupferstichen festgehalten, und während einige der Posen wirklich gut erkennbar und direkt zuzuordnen sind - beispielsweise die Cassandra wie auch die Ariadne auf Naxos, so sind ihre Marien und italienischen Madonnen ein klares Zeichen, dass sich der Zeitgeschmack weg von der Klassik zu einem romantischen Bild verschiebt. 
https://www.worldcat.org/title/pantomimische-stellungen-von-henriette-hendel/oclc/251812180

Ich denke, ich werde Henriette Hendel in näherer Zukunft noch genauer vorstellen.

-*-*-*-*-*-*-*-*-

[...]Corinne hat eine Sirenenstimme, und man bat sie zu singen; man fand eine Laute in dem Tempel, und sie entzückte die Gesellschaft, besonders aber die Männer. Man sprach, und Corinne erzählte mit unendlicher Anmuth; ihre Erzählung zog die Aufmerksamkeit aller Anwesender auf sich. Unter allen ihren Vollkommenheiten sind ihr Hals, ihre Arme, und ihre Hände ganz bewunderungswürdig. Sie tanzt den Pas de Schall zum entzücken. - Alle Männer kamen durch so viele Reize in Verzauberung; alle überhäuften diese beyden Damen mit den lächerlichsten Lobsprüchen; [...]


(Marie, oder, die Leiden der Liebe. Von Louis Bonaparte 1813.   https://books.google.ch/books?id=foZJAQAAMAAJ&dq=Shawl%20schall&pg=RA1-PA100#v=onepage&q=Shawl%20schall&f=false

Genau. Der Louis Bonaparte, der mit Hortense de Beauharnais verheiratet war, einer Frau die gemäss ihrer Zeitgenossen eine feinfühlige und gute Tänzerin war; und der als Ehemann in ihren Memoiren als eifersüchtiger Choleriker davonkommt. Ob wir hier etwas Einblick in seine eigene Gefühlswelt bekommen? 


-*-*-*-*-*-*-*-*-

Das Instrument der Wahl, eine Shawl Pantomime zu begleiten war zumindest nach Steibelt die Harfe - vielleicht weil sie in der Vorstellung der Zeigenossen der Antiken Leier und Kithara am ehesten entsprach?


D. Steibelt's variation for the harp. 
via IMSLP

Leider hatte ich noch keinen Erfolg bei der Suche nach Madame de la Hante, der Dame, der die Partitur gewidmet ist - ob verwandt mit Jacques La Hante, dem wir einige Tanzpartituren in den 1760ern und 1770ern verdanken - da kann zum aktuellen Zeitpunkt nur mutmassen, aber nicht bestätigen, und hoffe, dass mir beim weiteren Stöbern und Suchen die mysteriöse Dame wieder unter die Augen kommt.
Ich vermute jemanden, den Steibelt inspirierte oder ihm nahestand, da im Journal de l'Empire lundi 2 mai1808 eine andere Publikation beworben wurde, auch diese Madame de la Hante gewidmet.



"Fantaisie avec neuf variations sur la walse russe, pour le forté-piano,
dédiée à madame de la Hante; par D. Steibelt.
Prix: 6 fr. , et 6fr. 50c. par la poste.
Chez Sieber et Erard, marchands de musique et d'instruments, rue
de la Loi, no 28, à la Flûte enchantée."



-*-*-*-*-*-*-*-*-

    Aus Petersburg.

    Wir haben hier auf dem Französischen Theater zwei Vorstellungen von La Caravane de Caire, grand Opera-Ballet, musique de Gretry gehabt, avec tout son spectacle. Die Musik ist schön, des Spektakels viel, die Ausführung prachtvoll und das Ganze dennoch - etwas langweilig. Schwerlich wird sich diese Oper lange halten; - und wenn sie sich hält, so hat sie dies einzig und allein den lieblichen Tänzen zu verdanken, welche Didelot arrangiert hat. In der Scene, wo auf dem herrlichen Bazard von Corfinis Meisterpinsel, dem Pascha (Hrn. Mées) die Sklaven vorgstellt werden, tanzt zuerst Dem. Rose-Colinet ein Pas de Shawl ganz unvergleichlich. Die Attitüden und Drapperien dieser Künstlerin sind ganz das Werk der Grazien.

    (Zweiter Jahrgang der beiden Zeitschriften: Der Freimüthige und Ernst und Scherz 1804- Herausgegeben von A.v. Kotzebue und G. Merkel, Berlin. S. 460 No 245, Sonnabend den 8. December )

Anmerkung: Es mag dem modernen Leser helfen, wenn man weiss, dass Bühnentanz in der Zeit noch in drei Kategorien eingeteilt war: Danse Noble, Demi-caractère und Comique. Beispielsweise ist Marie Gardel wie auch Vestris als TänzerIn in der Kategorie "Demi-Caractère" zuhause, wo auch das Tanzen eines eines Pas de Schall, einer Pantomime mit Schawl eingeordnet wird.



-*-*-*-*-*-*-*-*-

Einstweilige Konklusion: 
Es handelt sich beim Danse du Schall, der Pas de Schall, der Pantomime, der Attitüde immer um eine Vorführung. Sei es im privaten Raum zu Hause, sei es im Kreise ausgesuchter Kunstkenner, sei es auf der Opernbühne wie Eingangs Annette Köbler. Es ist kein partizipativer Tanz, dem sich andere Tänzer anschliessen können, wie die von uns so geliebten Contredanses. Ähnlich wie beim der Musik und dem Schauspiel, erstreckte sich das Spektrum der Fähigkeiten wohl von Liebhaberei und Dilettantismus im schönsten Sinne des Wortes zu professionellen Tänzerinnen, die auf den Opernbühnen der Grossstädte ihre Kunst zeigten.



Further Reading: 



Re: Gardel:  George Dorris (2003) The Age of Gardel, Dance Chronicle, 26:1, 101-105, DOI: 10.1081/DNC-120018853 T
https://doi.org/10.1081/DNC-120018853


Atelier Polonaise hat ebenfalls einen interessanten Artikel zum Danse du Schall verfasst, ich empfehle Google Translate für die Lektüre.
https://chiaranzana.blogspot.com/2016/03/la-danse-du-schall-czy-taniec-wyzwolony.html





Sunday 28 March 2021

Un Schall de Cachemire - le Comble du Bon Genre

 In July 2020 - that short period of time when we could nearly forget that a pandemic is going on - we've met at Fabrice's place to record two projects.

One was a play by von Rochow "Die Schleppen", the other a conversation about shawls.
(Or Schalls, or Shauls, or Schaals)

Well - the conversation went down pretty well, but I've felt that there is so much more to say about the topic, that I asked Christian to hold back with publishing the video until I would be happy with the accompanying blogpost.


Today was the day, both the video and the blogpost are now online.

You will find the video on YouTube, or via this (hopefully working) embedded view:





The blogpost with the information mentioned during the talk is here:
https://www.lessoireesamusantes.com/post/un-schall-de-cachemire-le-comble-du-bon-genre

I won't crosspost the article over to this blog, but more information and trouvailles will be published here, at Pavillon de la Paix, as I go along.







For some giggles - an accidental "pause" hit turned us into ghosts of the past


Friday 26 March 2021

Therese Huber, geborene Heyne, verwitwete Forster - Universitätsmamsell - Schriftstellerin - Chefredakteurin


Wie ich Sabine versprochen habe, möchte ich die Universitätsmamsellen etwas näher vorstellen, den Auftakt macht, anders als erwartet, nicht Caroline Schelling, sondern Therese Huber.

Therese Huber
(zugeschrieben Carl Ludwig Kaatz, via Wikimedia Commons)





Wieder begegnen wir einer Frau, die nicht so recht in das Bild des sanften Hausmütterchens der guten alten Zeit passen will, die mir jedoch eine unglaubliche Inspiration und Vorbild ist. 

Wie alle Frauen ihrer Zeit, war sie ohne Bürgerrechte, und in der heutigen Zeit erstmal nur als Frau des Forschers und Revoluzzers Georg Forster bekannt, jedoch war sie primär Schriftstellerin und über Jahre hinweg Chefredakteurin bei Cotta's Morgenblatt für gebildete Stände. 

1764 in Göttingen geboren, Tochter des Altphilologen Heyne - Professor an der noch nicht mal 30 jährigen Göttinger Universität. Christian Gottlob Heyne ist uns heute als Begründer der Abgusssammlung bekannt (die hier übrigens online besichtigt werden kann: http://www.viamus.de/).
Nun denken wir uns - was für ein verstaubtes Fach. Was soll so speziell daran sein, einen Vater zu haben, der so ein Forschungsgebiet hat?
Halten wir uns vor Augen: In der Zeit war Altphilologie - die Wissenschaft über das klassische Altertum - ein komplett neues Fach, ein modernes Fach, die leuchtenden Köpfe wie Winckelmann, A.W. Schlegel, Schleiermacher u.v.m. finden immer noch Erwähnung im modernen Literaturkanon. Bücher wie Gibbons erster Band von "The Raise and Fall of the Roman Empire" wurde erst 1776 publiziert. 
In diesem inspirierenden und geistig aktiven sozialen Umfeld wuchs Therese auf - ihre Bildung, wie die der meisten Frauen, von Elisa von der Recke, bis hin zu Rahel Levin - war mehrheitlich autodidaktisch erworben. Sie selbst schreibt über ihren Bildungsweg: 

"Ich las, las, las und schwazte mit meinem Vater, der mich über spekulative Gegenstände alles schwazen ließ, las alles, was mir im Lesen vorgeführt wurde nur nichts als klaßisches. Das langweilte mich […] Ich hörte Archäologie von meinem Vater sprechen, Naturgeschichte von Blumbach, Anatomie u Medezin von meinem Bruder, Politik Staatengeschichte von meinem Onkel Brandes"*

Wie sich die geneigte Leserin, der geneigte Leser denken möchte, sollte meine Bekanntschaft mit Therese Heyne erst einmal über ihren Vater erfolgt sein - doch weit gefehlt - der Weg führte über Caroline Schelling** - der die Zeitgenossen ein Verhältnis mit Georg Forster nur zu gerne anhängen wollten... 

Zurück zu Therese. Wie man dem Gerücht des Verhältnisses zwischen Caroline und Forster entnehmen möchte, war die Ehe nicht besonders glücklich, sie packte die Gelegenheit beim Schopf, als sich die Situation zwischen den durch Frankreich unterstützten Mainzer Revolutionären und den reaktionären Truppen zuspitzte, verliess ihren Mann und Mainz und begab sich mit ihrem späteren Mann, Ludwig Ferdinand Huber, erst nach Strasbourg, dann nach Neuchâtel (Was damals übrigens noch nicht in der Schweiz lag). Aus Neuchâtel  (respektive aus Bôle) ging die Reise für das Ehepaar erst nach Tübingen, wo Huber eine Stelle bei Cotta angeboten bekam, dann nach Stuttgart.

Bereits schon während ihrer Ehe mit Forster hatte Therese als Übersetzerin und Texterin gearbeitet, der Trennung und Stellenverlust Hubers, und später auch wieder nach dem Tod Hubers 1804, wurde die Schriftstellerei, aber auch die Redaktionsarbeit ihr Beruf.


Ihre eigenen Schriften sind zum von Teil erschreckender Nüchternheit, welche das eigene Bild über Frauen um 1800 gehörig aufrütteln können. 

Ihr 1796 veröffentliches Buch "Luise" - hat ausser dem Titel nichts mit der Idylle der Voss'schen Luise gemein. Es ist grad für jemanden wie mich, die sich über die eigene Lesetätigkeit der Werke und Briefe von Germaine de Staël, Caroline Schelling, Rahel Levin, Luise von Göchhausen dem Eindruck hingab, dass Frauen in diesem Kreis sich doch eine gewisse Unabhängigkeit erstritten hatten - selbst als Person mit dem rechtlichen Status eines Kindes oder eines Tisches - eine Leseerfahrung die ernüchtert, und zurück auf den Boden der Tatsachen führt. Und auf einmal werden die verzweifelten Stimmen, die um Anerkennung, um Rechte kämpfenden Stimmen der Frauen wie Constance Pipelet, Olympe de Gouges, um einiges lauter, und beeinflussen das Lesegeschehen umso mehr. 

Wer Therese Hubers "Luise" selbst lesen möchte, und ein Digitalisat sucht, wird wohl enttäuscht werden. Die Unibibliothek Augsburg hat Sig. 02/III.8.8.955 leider nicht in digitaler Form aufgeschaltet, jedoch gibt es von Olms einen Nachdruck, erschienen 1991 in der Reihe "Frühe Frauenliteratur in Deutschland".
Es ist keine leichte Kost, wer selbst schon unter Depressionen, emotionellem oder physischem Missbrauch gelitten hat, der/dem möchte ich von der Lektüre abraten (Oder zumindest die Voss'sche Luise oder die Gessnerschen Idyllen oder Böttigers Klatsch und Tratsch als Gegenkur ans Herz legen)

Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach Rechten und Gleichberechtigung durch das Leben so vieler Frauen in der Frühromantik. Bei Therese Huber war es nicht anders. Cotta war durchaus zufrieden, eine kompetente Frau einzustellen (was man ihm zugute halten darf) - andererseits war er auch durchaus zufrieden, ihr ein um einiges geringeres Gehalt zu bezahlen...

Ich möchte die werthe Leserin, den werthen Leser daher auffordern, sich den Frauen der Zeit etwas wohlwollender anzunehmen. Es wird mehr und mehr über sie geforscht und publiziert, diese neuen und auch alten Publikationen bieten eine Perspektive weg von all den gescheiten Sturm und Drang-Klassikern die sich eine Fehde mit den frühromantischen-Philosophen lieferten.

Um es also in die Worte von Therese Huber umzumünzen: "Lest, lest, lest und schwatzt" über die Zeit, lasst uns mehr lesen, uns mehr darüber austauschen, mehr lernen.



Nachtrag vom 9. Juni 2021:
Am 10. Juni wird auf dem GoetheMoMa Therese Huber ein Beitrag gewidmet - zugucken kann man via Instagram Livestream https://www.instagram.com/goethemoma/ - einem Projekt von Damian Mallepree.
www.goethemoma.de



-*-*-*-*-*-*-*-*-

*https://de.wikipedia.org/wiki/Therese_Huber

**Aber das ist eine andere wunderbare Frau, die eine eigene Einführung verdient. Wer Zeit findet, dem sei die Lektüre ihrer Briefe ans Herz gelegt, die uns ein Fenster in die Zeit der Frühromantik aufstossen, die es weit aufstossen und uns daran teilhaben lassen. Auf Deutsch gibt es mehrere Publikationen, ich habe die zweibändige Ausgabe erschienen bei Lang (1970) sowie Sigrid Damms Briefauswahl der Briefe. Auf Englisch verweise ich gern auf www.carolineschelling.com , wo die Briefe in von Douglas W. Scott in übersetzter und annotierter Form veröffentlich wurden. 



Wednesday 17 March 2021

Femmes, réveillez-vous! - Constance de Pipelet, Femme de Lettres

« Les temps sont arrivés, la raison vous appelle;
Femmes réveillez-vous, et soyez dignes d'elle. »
    Constance de Pipelet, "Épitre aux Femmes", An V, 1797


Detail of Portrait of Constance Pipelet par  Jean-Baptiste-François Desoria
CC0 Public Domain Designation, Curtesy of the Art Institute Chicago
https://www.artic.edu/artworks/31233/portrait-of-constance-pipelet

   
Diese Zeilen stammen aus der Feder von Constance Pipelet*, einer Femme de Lettres, einer Intellektuellen die das Geschehen um 1800 beobachtet, kommentierte und publizierte, aber auch eifrig korrespondierte. 

    Ihre Épitre aux Femmes inspiriert mich immer wieder, auch aufgrund der aktuellen Parallele.
Oder in den Worten von Sylvie Durrer: «Dieses Jahr feiern wir nicht 50 Jahre Frauenstimmrecht, sondern wir gedenken ihrer» ** (Feiern kann man das wirklich kaum nennen, es ist eher peinlich. Und ebenso geflissentlich ignorieren wir gerne, dass gleiche Bürgerrechte erst in meiner Kinderzeit eingeführt wurden)
Daher ist mir, als moderner Frau, gerade heute und in der aktuellen Diskussion und der dazugehörigen Diskussionskultur ihr Zuspruch von Bedeutung.

AVERTISSEMENT. 
Dans tous les temps les hommes ont cherché à nous éloigner de l'étude et de la culture des beaux arts; mais aujourd'hui cette opinion est devenue plus que jamais une espece de mode. Dans quelque endroit qu'on aille, de quelque côté qu'on se tourne, on a l'oreille fatiguée par les discussions qui s'élevent à ce sujet, dans lesquelles, suivant l'usage, l'esprit de parti agit plus que le raisonnement. J'ai long-temps résisté au desir de répondre à ces sortes d'attaques, m'imaginant que, dans un siecle aussi éclairé que le nôtre, elles ne pouvoient avoir aucune suite; mais, lasse de voir toujour les femmes en butte à des plaisanteries qui trop souvent se changent en sophismes, je me décide enfin à prendre la défense de mon sexe. J'ai eu pour objet, dans cette épitre, que j'adresse aux femmes, de soutenir leurs droits sans nuire ceux des hommes. Si malgré cela il en est quelques uns qui se formalisent de la maniere dont j'y parle d'eux en général, je les prie de vouloir bien réfléchir qu'en fait de critiques de ce genre il y a long-temps que les hommes nous on payées d'avance.

"Ce qu'il nous faut de plus! un pouvoir légitime.
"La ruse est le recours d'un être qu'on opprime.
"Cessez de nous forcer à ces indignes soins;
"Laissez-nous plus de droits, et vous en perdrez moins.

"Epitre aux Femmes" par Constance Pipelet (de Salm), via BNF,
  https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5475263n



Das klingt doch ziemlich bekannt, nicht wahr? Ich kann die Lektüre von Constance Pipelets Schriften nur empfehlen, besonders, wenn man sich mit der versuchten Emanzipation der Frau in der Zeit auseinandersetzt. 




*Geboren 7. September 1767 als Constance de Théis in Nantes, verheiratet dann Constance Pipelet de Leury (1789-1802), in zweiter Ehe ab 1803 erst Gräfin, dann ab 1816 Fürstin zu Salm-Reifferscheidt-Dyck.

** Artikel auf House of Switzerland, einer Publikation des Generalsekretariat des EDA, 3. Februar 2021 https://www.houseofswitzerland.org/de/swissstories/geschichte/frauen-stimmen-ab-1971-2021-50-jahre-frauenstimmrecht-der-schweiz

Detail of Portrait of Constance Pipelet par  Jean-Baptiste-François Desoria
CC0 Public Domain Designation, Curtesy of the Art Institute Chicago
https://www.artic.edu/artworks/31233/portrait-of-constance-pipelet


Weiterführende Lektüre und Quellen: 


    Wer mehr über sie lesen möchte, dem lege ich den WikiZero Artikel ans Herz, der auch sehr viele Links zu Digitalisaten ihrer Werke enthält.


    Ihr Werk "Epitre aux Femmes" befindet sich in der BNF, publiziert als Constance Pipelet, ebenso wie viele andere ihrer Publikationen, z.B. Sapho, ein Opernlibretto publiziert als La Citoyenne Pipelet, 1794. 

In der BNF wird sie als Constance de Salm geführt, daher vorzugsweise mit dem Autorennamen suchen.

Ihre Korrespondenz ist als Digitalisat verfügbar, und lädt zum Mitlesen und Stöbern ein. 
http://constance-de-salm.de/edition


« Différence n'est pas infériorité. »

Portrait of Constance Pipelet
By Jean-Baptiste-François Desoria
CC0 Public Domain Designation
Curtesy of the Art Institute Chicago

https://www.artic.edu/artworks/31233/portrait-of-constance-pipelet





Tuesday 9 March 2021

Trouvaille du Jour - Non-seulement elles se serrent...

A translation of this paragraph has already been translated during the Journal Journey 1811 - I thought it might be interesting to share the original text - I came across it today again while reading up something else.
It is by Centyeux what translates for those readers unfamiliar with the Journal des Dames et des Modes - to be taken cum grano salis. But no smoke without fire...


-*-*-*-*-*-*-*-
 On a beaucoup crié contre les corsets: et nos dames avoient non-seulement abandonné les corsets, mais, sans robe, sans fichu, elles alloient presque en chemise. De cet excès d'abandon, les femmes sont tombées dans un autre. Non-seulement elles se serrent, s'entourent de baleines et de buscs comme autrefois, mais les corsets du jour sont plus grands et plus forts que ceux d'autrefois. Un corset actuel presse non- seulement l'estomac, la taille, les épaules; mais entoure et comprime tout le buste de manière à ne permettre à la femme ainsi emmaillotée aucune espèce de movement. Que l'on envie à présent le sort de ces grandes dames dont la parure jette tant d'éclat! elles ne peuvent ni rire, ni manger, ni se baisser, ni se tourner. Que dis-je? elles peuvent à peine respirer. Le moindre soupir peut faire casser le cordon, et mettroit le désordre dans leur toilette: heureuses les bonnes femmes, les mères de famille, qui vivent tranquillement au sein de leur ménage: elles reçoivent, non pas les complimens des adulateurs, mais les caresses de leurs enfans, et vivent, la tête, l'esprit, le corps en liberté, et la conscience en repos.
    LE CENTYEUX

Journal des Dames et des Modes, No.4 (Quinzième Année.) 20 Janvier, 1811.

-*-*-*-*-*-*-*-

I must say, I again am more than grateful for the counter-movement in the period, for tailors like J.S. Bernhardt, who kept a record of an alternative, and published it - and even more so to Sabine Schierhoff at "Kleidung um 1800", who woke J.S. Bernhardt from a deep archival slumber back in 2013, and wrote multiple articles, called "Schnürleibstudien" - and I am more than pleased to see more living history folks taking to them. (Wouldn't it be great if they'd all use #bernhardtstays so we could follow their projects on a simple hashtag?)

The list of articles - including an explanation of Bernhardts scaling method even I understand:

https://kleidungum1800.blogspot.com/2013/05/short-stays-studies-schnurleib-studien.html

https://kleidungum1800.blogspot.com/2014/05/short-stays-studies-schnurleib-studien.html

https://kleidungum1800.blogspot.com/2018/02/js-bernhardt-1790er-schnurleib-studien.html


I think many of us who sew owe Sabine a lot for having dug out that document and made it accessible to us, because I can say without reservation: It's the most comfortable corset I have, and I am sure even the severe Centyeux would approve of the form it gives, as well of the comfort this corset offers. (I use "Corset" here in the French meaning. I also like calling a fichu a fichu when referring to a french text and not a handkerchief. Yes, I am a terrible snob.)

If you think that this is just a German thing... I give you a two lines in the Journal des Dames et des Modes from 31 January 1811: 

Journal des Dames et de Modes, No. 6 (Quinzième Année.) 31. Janvier 1811
via gallica.bnf.fr

Isn't this something? I love how intertwined this period is, how sources and persons interact, and we stumble over them where we least expect them.