[...]Ich muss doch hier von den Herumträgern sprechen[...]. Einige gehen herum mit Fäßchen Eiswasser, Gläsern und Zitronen, um überall gleich Limonade machen zu können, einen Trank, den auch der Geringste nicht zu entbehren vermag [...]
Goethe an Herder, aus Neapel, den 28. Mai 1787 (JWG „Italienische Reise“, Ausgabe Deutscher Taschenbuch Verlag - dtv, 2011)
Der heutige Blogbeitrag ist gewidmet:
- Sabine, die schon mehre Rezepte nach Le Goullon ausprobiert hat (Siehe beispielsweise das Erdbeereis https://kleidungum1800.blogspot.com/2016/05/erdbeeren-schick-ich-ihnen-aus-meinem.html);
- Damian, denn ohne seinen Freistil MoMa gestern wäre ich kaum von Germaine de Staël und Rousseau auf Limonade gekommen https://www.goethemoma.de/;
- Kerstin, der Freundin aller Zitronengewächse die immer einen Rat weiss, wenn meine kränkeln https://saahre.blogspot.com/;
- Allen Limonadenliebhaberinnen und Liebhabern.
- und natürlich allen, die nur via Lesefauteil und Bildschirm verreisen können.
Citronenbaum, Isola Bella (Isole Borromee) Photo A. Reeves, 2018 |
Den Auftakt haben wir mit Goethens Kommentar an Herder bereits, wenn man nach ihm ginge, bedürfte dieser erfrischende Getrank nur Eiswasser und Zitrone. (Eiswasser Anno 1787! (Auf derselben Reise begegnete Goethe auch dem Ritter Hamilton sah sowohl dessen berühmte Sammlung, wie auch Miss Hart, die spätere Lady Hamilton- und schon schliesst sich der Kreis wieder)
Auch heute gehört Limonata in Neapel zum Sommer, wie die Sonne und der Vesuv. Heute bekommt man die beim Acquafrescaio immer ganz frisch hergestellt aus 1-2 Zitronen (Vorzugsweise Amalfi-Zitronen), frisch gepresst, Mineralwasser, etwas Zucker (meist in Sirupform vorbereitet), etwas Bicarbonat, welches nur einen Augenblick vor dem ersten Schluck beigegeben wird. (Dann sofort trinken, sonst schäumt es über) Die Verhältnisse der Zutaten ist von Verkäufer zu verschieden, wer möchte, darf sich gerne auf eine 2-minütige Kurzreise nach Neapel begeben, und den verschiedenen Limonadenverkäufern über die Schulter gucken.
Doch wie war das zur Goethezeit?
Beginnen wir mit Krünitz:
Limonade, die, im Plur. die -- n, doch nur, wenn von mehreren Arten die Rede ist, aus dem Franz. Limonade, und dieses aus dem Ital. Limonata, ein kühlendes Getränk von Wasser, Zucker und Limonen= oder Citronen=Saft.
Obgleich sich alle Arten der Citronen oder Limonen, die einen sauren Saft enthalten, zur Zubereitung der Limonade schicken, so muß man vorzüglich doch diejenigen Sorten dazu wählen, welche man aus Italien und Portugal bringt, weil diese diejenigen weit übertreffen, welche aus dem Fürstenthume Monaco oder aus Provence kommen. […] Die italienischen und portugisischen Citronen erkennet man nicht nur an ihrem angenehmeren Geruche und Geschmacke, sondern auch daran, daß sie nur halb so viele Kerne in sich haben als die andern.Bey der Verfertigung der Limonade muß man zuvörderst darauf Rücksicht nehmen, daß nicht alle Theile der Citronen von gleichen Bestandtheilen und von gleicher Wirkung sind. Nur der innere Saft ist von kühlender Natur. Das in der Schale befindliche Oehl, und die sonstigen aromatischen Theile sind erhitzend. Je nachdem man von dem einen oder dem andern verhältnißmäßig mehr in die Mischung thut, wird das Getränk auch mehr oder weniger kühlend.Will man ein Getränk haben, welches bloß kühlend ist, so ist die einfachste Art dabey zu verfahren diese. Man läßt 5 Unzen weißen Zucker in einer Pinte (Eine Pinte Wasser wiegt 1 1/2 Pfd) recht hellen Wassers schmelzen, nimmt 2 -- 3 gute Citronen, wischt sie gelinde ab und schneidet sie mitten durch. Jede dieser halben Citronen drückt man alsdann mit den Händen dergestalt aus, daß die Behältnisse, worin sich der Saft befindet, platzen, und der Saft in das Zuckerwasser fließe. Diese Mischung wird darauf durch einen tuchenen Filtrir=Sack geseihet und an einem etwas kühlen Orte zum Gebrauche aufbewahrt.[…]
Das entspricht ungefähr dem, was Goethe berichtet. Aber auch hier wieder - Zuckersirup!
[…]Soll die Limonade indessen minder kühlend seyn, so schneidet man die Hälfte der gelben Rinde dieser Frucht in sehr dünne Schälchen ab, und läßt sie 20 -- 30 Minuten in dem Zuckerwasser ausziehen, schneidet dann, wie oben erwähnt ist, die Citrone durch und drückt sie aus.[…]
Also sehr nah an dem, was wir heute als Citronensirup kennen.
[…] Die Limonade wird aber sonst auch noch auf verschiedene Weise gemacht. Einige nehmen z. B. auf eine Kanne frisches Brunnenwasser drey bis vier Citronen, schneiden die äußere gelbe Schale ab, werfen sie in das Wasser, decken das Gefäß zu, und lassen es ein paar Stunden stehen; nachher drücken sie den Saft von den geschälten Citronen vollends hinein, lassen es wieder eine halbe Stunde stehen, seihen das Wasser durch ein dichtes Tuch, und werfen so viel gestoßenen Zucker hinein, als sie für nöthig erachten. Hierauf gießen sie es einige Mahle aus einem Gefäße in das andere, und lassen es auch noch wohl einmahl durch das Tuch laufen, damit der Trank recht klar wird.Andere hängen auch gleich anfangs etwas zerknickten Coriander und gestoßenen Zimmt in ein Säckchen gebunden hinein, und lassen es so einen halben Tag stehen. Noch andere reiben auch noch zwey oder drey Gran Bisam mit sechsmahl so viel Zucker auf einem Reibstein so lange unter einander ab, bis man keinen Bisam mehr sieht, und thun es hernach unter die Limonade, welche sie hierauf noch etliche Mahle abgießen.Andere geben sich weniger Mühe, und nehmen nur zwey bis drey Citronen nebst vier Loth Zucker auf eine Kanne Brunnenwasser, schneiden sie scheibenweise, werfen beydes zusammen in Wasser, lassen den dritten Theil davon einkochen und seihen es endlich, wenn es kalt ist, durch ein Tuch.Nach einer andern Methode nimmt man sechs Citronen, reibt von einer derselben die Schale mit Zucker ab, und preßt den Saft von allen aus. Alsdann kocht man 1 lb Zucker mit Wasser ganz dick und vermischt ihn mit dem Citronensafte, nebst den auf Zucker abgeriebenen Citronenschalen. Dieses läßt man zusammen eine kleine Viertelstunde durchkochen, füllt es in Flaschen, und thut davon nach Belieben unter ein Glas Wasser zum Trinken. **Preußischer Volksfreund. 1798. IX. S. 1138.[…]
Auch bietet Krünitz noch ein Rezept zu einem Limonadenpulver, für eine Instant-Limonade, das dürfen Sie, dürft Ihr, gerne selbst nachlesen gehen, die Quellen sind unten nochmals verlinkt.
Und nun zu unserem Weimarer Freund - Monsieur le Goullon:
LimonadeMan nehme zu einem Maas Wasser drey Stück schöne saftige Citronen, reibe das gelbe von einer Citrone auf Zucker ab und drücke den Saft von diesen drey Citronen dazu, rühre es wohl durch einander, versüße es mit einem Viertel-Pfund Zucker und lasse es durch eine Serviette laufen.Man kann auch, wenn es beliebt, ein halb Nösel Wein darunter thun, welcher den Geschmack der Limonade sehr erhöht.
François Le Goullon: Der Elegante Theetisch, 1809
Die Neapolitanische Limonata wird unmittelbar vor dem Genuss zubereitet. Krünitz verweist darauf, dass sich Limonade nicht länger als zwei bis drei Tage hält. Le Goullon schreibt nichts zur Haltbarkeit, hingegen ist schreibt Czerdelinczki 1799
[…]Endlich würde es ein großer Fehler seyn , wenn man limonade und andere Erfrischungse getrånke den Tag vor dem Gebrauch maden wollte . Waffer und Citronensäure find , wenn fie eine Zeitlang beisammen sind , einander contrair, und verderben eines das andere, daher die Limonade nicht eher als kurz vor dem Gebrauch gefertigt werden darf.Man koste eine frisch gemachte Limonade, und eine, die 24 Stunden gestanden hat, so findet man, daß eine Limonade, die 24 Stunden gestanden hat, allen Geschmack verlohren habe und nicht mehr zu gebrauchen sey.[…]
Nun hoffe ich, dass alle Leserinnen und Lesern, deren Appetit auf Limonade durch diesen kurzen Ausflug nach Neapel und in die Welt der Goethezeit-Limonade geweckt wurde, in ihrer Küche Citronen, Zucker und Wasser vorfinden, um sich mit einem Getränk neapolitanischer Art zu erfrischen. Oder mit einer gekaufte Limonade, oder einem Glas Wasser mit einem Schnitz Zitrone, oder einen Citronensirup.
Wen es etwas nach Neapel zieht, aber nicht reisen kann, der/dem empfehle ich das Konzert von Accordone, Marco Beasley und Pino di Vittorio “La Musica nelle Strade del Regno di Napoli”
Wenn die anderthalb Stunden zu lange sind, dann hoffe ich, dass zumindest Pino di Vittorios Interpretation der "Tarantella del Gargano" die Limonadenpause etwas verschönt:
Weiterführendes & Quellen:
Oekonomische Encyklopädie von J.G. Krünitz, transkribiert zu finden unter:
http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ , die Stichwortsuche “Limonade”
Der Band 79 “Lilie - Loango” erschien 1801 respektive mit Zweitauflage 1807.
Oder noch im Original:
https://books.google.ch/books?id=WT-AdEOCA0kC&pg=PA170&dq=Limonade&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwimkubW3aPxAhVDzKQKHS1lB-oQ6AEwAHoECAgQAg#v=onepage&q=Limonade&f=false
François Le Goullon: Der Elegante Theetisch, 1809
https://books.google.de/books?id=4ik7AAAAcAAJ&dq=francois%20goullon%20der%20elegante%20theetisch&hl=de&pg=PA13#v=onepage&q=citrone&f=false
Franz Xaver Czerdelinczki “Der vollständige Conditor, Schweitzerbäcker und Destillateur” 1799 - Mit über 60 Eisrezepten!
https://hdl.handle.net/2027/nyp.33433006722163