Friday, 5 January 2018

15 Nivôse An IX - Numéro 21 - oder der 5. Jänner 1801

Snipped from Bunka Gakuen page 161 

Und wir legen erst mal mit kleinen Vorhersagen & Aussichen aus der Stadt los, welche sich etwas belanglos aneinanderreihen. Für uns nehmen wir aber mit, dass sich der Autor über die neue Hutmode - Früchte statt Blumen auf die Hüte zu packen, etwas lächerlich fand. (Seite 161 und 162)


Des chapeaux garnis de fruits, remplaceront les chapeaux de fleurs, et rien ne sera plus ordinaire que de voir une femme porter sur sa tête des poires, des pêches, des ananas.

Hüte, welche mit Früchten garniert sind, ersetzen die Blumenhüte, und es ist nichts alltäglicher, als eine Frau auf ihrem Kopf Birnen, Pfirsiche und Ananas herumtragen zu sehen

Ebenso ist die Hutgrösse ein Thema:

Les bonnets de femmes, à raison de leur envergure, exciteront une rumeur au spectacle; un étourdi s'avisera de leur crier, chapeau bas, parce qu'elles masquent la vue des spectateurs; ou s'escrimera en paroles, et le sexe gagnera, l'amabilité devant l'emporter sur la raison.

Damenhauben haben im Theater auf Grund ihrer Grösse doch einigen Aufruhr verursacht. Ein unbesonnener Mensch erdreistete sich "Ab mit den Hüten!" zu rufen, da sie die Sicht anderer Besucher versperrten. Man erging sich in Geschrei, und Schluss gewann die Liebenswürdigkeit über die Vernunft. 

Bleibt abzuwarten, was sich davon heuer alles bewahrheitet.

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Gefolgt von den Rezensionen aus dem Vaudeville und der Opéra Comique.

Wie halb zu erwarten war, haben beide Parodien auf Haydn's Schöpfung aufgelegt, im Vaudeville war grosser Andrang, doch blieb die Glosse "La Récréation du monde" hinter den Erwartungen zurück. (Seiten 162/163)

War Haydns Schöpfung (Französisch: Création) ein unbestrittenes Meisterwerk, so wurde es doch konzertant aufgeführt.
Das Vaudeville präsentierte ihren Adam "in naturalibus" - Eva "un peu plus gazée" (also mit etwas mehr Gaze bedeckt), Uriel als Libertin, und die Gschicht endet, dass sie sich der Récréation hingeben (also auf der Bühne eine heisse Nummer simulieren).

Amüsant ist natürlich noch Spitze gegen das Opernhaus (man erinnere sich an die Kartenpreise)

Si notre Récréation
Ne vaut pas la Création;
Du moins, dans cette occasion,
Nous n'avons pas doublé les places.


Wenn unsere Neuschöpfung schon nicht an die Schöpfung heranreicht, so haben wir wenigstens an dieser Stelle nicht die Plätze (Preise) verdoppelt.


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In der Opéra Comique ging es nicht viel besser zu, auch sie wollten auf der Welles des Erfolges der Schöpfung mitreiten, und es gibt eine neue Glosse von Citoyen Vieillard mit einem maliziösen Arlequin als Schlange, einer ebenso dummen wie schönen Eva, einem depperten Adam, einigen bösartig lästerlichen Couplets. Also seichte Unterhaltung, die aber offensichtlich gut aufgenommen wurde. (Seite 164 und etwas auf Seite 165)
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Von Seite 165 bis Seite 168 wird einem lieben Freund von mir aus der Seele sprechen "Je ne peux souffrir vos capotes, faites en vrais cuillers à pot [...] J'aimois mieux vos colimaçons où le ruban et la dentelle, se poursuivant à reculons,[...]"

Snipped from page 167

Da ergeht sich auf dreieinhalb Seiten (und das ist nur die Kurzfassung, das ganze Gedicht hat 156 Seiten...) Ph. Quenard in seinem Gedicht LES DAMES über die neuen Moden.

Ce poëme est d'une gaité qui approche du burlesque. Dans le premier chant, l'auteur examine en quoi consiste la beauté; dans le second, il passe en revue différens genres de costumes; un censeur dans le troisième, parle du beau sexe avec humeur.
L'auteur, dans le quatrième, répond d'une manière aussi victorieuse que galante.

Dieses Gedicht ist so heiter, dass es beinahe eine Posse ist. Im ersten Gesang untersucht der Dichter, was eigentlich Schönheit ist; im zweiten lässt er verschiedene Kleidungstile Revue passieren, wird zum Zensor im Dritten, spricht mit Humor über das schöne Geschlecht. 



Und antwortet dann im vierten Teil ebenso siegreich wie galant.


Snipped from page 166 & 167
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Explication des Gravures, Nos. 270 et 271.

On donne à toutes les capotes une forme oblongue, qui tient de la coëffure antique: la plupart sont roses. Les chapeaux peluchés ont été remplacés par des chapeaux d'effilé de soie, qui, sans doute, auront une plus longue durée, parce qu'ils sont mieux faits. Dans le négligé, on porte toujours des toquets: les plus nouveaux sont de forme ronde, en point d'Angleterre, et paroissent être sans couture. Les spencers sont ou noirs ou bleus, en drap ou en velours. Le jais actuellement en vogue est en grains longs. On a substitué, aux applications de velours, des rubans, satins et velours, des différens dessins. Parmi les bijoux nouveaux, on remarque des sautoirs d'or, à maille tricotées, dont un bout est figuré en tête de serpent.

Man gibt sämtlichen Hüten eine ovale Form, die an Antike Coiffuren gemahnt, der Grossteil ist Rosa. Die Hüte aus Plüsch sind durch Seidengewebe ersetzt, welche zweifellos eine längere Lebensdauer haben, da sie besser gefertigt sind. 
Zum Morgenanzug trägt man immer noch Toquets (Hauben, ohne feste Bestandteile), die neuen in runder Form, aus Englischer Spitze, und scheinbar ohne Naht.
Die Spencer sind entweder schwarz oder blau, aus Tuch (Wolltuch) oder Samt. Der modische Gagat (Jet) ist länglich geschnitten. Applikationen aus Samt wurden durch Bänder aus Satin oder Samt in verschiedenen Mustern ersetzt. Unter den neuen Schmuckstücken fallen besonders Sautoirs (lange Halsketten) aus einem goldenen Maschengestrick auf, wobei ein Ende als Schlangenkopf gestaltet ist.

http://www.lesartsdecoratifs.fr/francais/bibliotheque/
Toquet Rond, Brodé, Spencer de Drap - gestickte runde Haube, Spencer aus Wolltuch
Wir dürfen auch heute nicht vergessen, dass jeder einzelne Kupfer, den wir sehen, einst individuell gedruckt und koloriert wurde. Ich vergleiche gerne die verschiedenen Versionen - hier eine Variante die ich vor Urzeiten einst auf Pinterest gefunden und gespeichert hab: Die Toquet ist besser zu sehen,
Found on Pinterest

Toquet Rond, Brodé, Spencer de Drap - gestickte runde Haube, Spencer aus Wolltuch

http://www.lesartsdecoratifs.fr/francais/bibliotheque/

Demi-Turban, Spencer sans Revers - halber Turban, Spencer ohne Aufschläge (Revers)

Zu den genannten Sautoirs habe ich noch etwas Nettes aus dem Bernerischen Historischen Museum - BHM. Zugegeben, die Schmuckstücke sind auf 1822 datiert, doch geben sie uns einen Eindruck der Schlangensautoirs:
Photo: A. Reeves 2017

Photo: A Reeves 2017

Information des Museums (von der Vitrinenkarte abgeschrieben):
Der Berner Schultheiss Niklaus Rudolf von Wattenwyl ist einer der beiden Berner Vertreter an der Tagsatzung von Zürich im Jahr 1822. 
Er schenkt den Schmuck seiner Gastgeberin Anna Maria von Escher. 
Die politische Wirkung der Tagsatzungen während der Restauration ist weniger glanzvoll.
Historisches Museum Bern; Inv. 57650.1-3


Links zur Ausgabe 21

http://digital.bunka.ac.jp/kichosho/file/No.414/414-0005-044.jpg - Seite 168 und Titelblatt der nächsten Ausgabe

So, das war es für heute, die nächste Ausgabe sollte in 5 Tagen ins Haus flattern :-)
Ah- et preque oublié: La solution de l'Enigme:




3 comments:

  1. Wunderbar! Ich bin dir so Dankbar für die Übersetzung! So kann man ganz wunderbar in die Zeit abtauchen! Was wird das für ein aufregendes Jahr!!
    LG Kerstin

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  2. Hach ja, die Schlangenkette. <3
    Und ich find's schön zu lesen, dass ich 1801 auch Jet tragen kann. :-D

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